„Altenpflege ist ein harter Job, der geht ohne Spaß gar nicht“, sagt Gregor Brill, Geschäftsführer des Seniorenheims Bachstraße. Das gelte auch nach gut einem Jahr Corona-Pandemie. Sein Haus kam ohne eine Infektion mit dem Coronavirus durch die Zeit. Weil, sagt der Unternehmer, er massiv auf die Einhaltung eines ausgeklügelten Hygienekonzeptes geachtet habe. An dem hält die Einrichtung bis heute fest, obwohl Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im März dieses Jahres ihre zweite Impfung erhalten haben.
Zwei große Vorteile sieht Brill im Rückblick, die ihm das Agieren in der Pandemie erleichtert haben: Als Geschäftsführer des Heimes und Eigentümer des Gebäudes in Wiesenau habe er das Hausrecht ausüben können – und dies auch mehrfach genutzt. Zum Zweiten habe er bereits im Januar 2020 geahnt, dass das Coronavirus auch nach Deutschland übergreifen werde. „Ich kann nicht sagen, dass ich die Pandemie erwartet habe“, sagt er. Aber: Die Nachrichten aus China beunruhigten ihn bereits im Januar so sehr, dass er für viele Tage Lebensmittel, Schutzkleidung, Masken, Hygieneartikel kaufte und lagerte. Er reduzierte seine Kontakte, auch im Wirtschaftsclub, dessen Vizechef er ist. „Als ich die Teilnahme am Businessfrühstück im Februar abgesagt habe, waren alle erstaunt“, erinnert sich Brill. Bis heute verzichtet er weitgehend auf private Kontakte, setzt stattdessen auf Telefonate mit anderen Unternehmern und Freunden.
Umarmungen sind untersagt
Seine Vorsicht überträgt er auf die Mitarbeiter, versuchte es bei Bewohnern und Angehörigen. „Wir haben ein zweistündiges Zeitfenster für Besuche vorgegeben, aber damals hat sich niemand daran gehalten.“ Der Geschäftsführer ließ das Hausrecht walten und die Türen abschließen, bevor dies von der Politik vorgegeben wurde. Seinem Team untersagt er, sich gegenseitig zu umarmen. „Hier arbeiten überwiegend Frauen, die sich eigentlich immer gern in den Arm genommen haben“, sagt er. Stattdessen empfiehlt er den Beschäftigten damals, sich künftig wie die Queen zuzuwinken. „Alle hatten einen Heidenspaß daran, wenn sie sich auf den Fluren begegnet sind.“ Im Rückblick, meint der Unternehmer, waren es genau diese sehr klaren Regelungen, die dem Team eine Orientierung in einer Zeit boten, als täglich, fast stündlich neue Nachrichten von Politikern und Wissenschaftlern auf sie einprasselten.
Intranet für Mitarbeiter
Es zahlt sich aus, dass der Geschäftsführer bereits vor der Pandemie ein Intranet aufgebaut hatte. „Wir arbeiten in Schichten, manche Kollegen sehe ich über Wochen nicht, wenn sie nur nachts hier sind.“ Jede noch so kleine Neuerung veröffentlicht er auf dem Portal: Welche Schutzausrüstung ist notwendig? Wie funktionieren Schnelltests? Wer muss in Quarantäne? Brill setzt auf maximale Sicherheit: Besucher bleiben erst ganz draußen, dann gibt es im Sommer erste Treffen auf der Terrasse, später in einem separaten Zimmer – für maximal zwei Personen.
Noch immer gilt: Bewohnerinnen und Bewohner, die bei einem externen Arzt oder im Krankenhaus waren, müssen fünf Tage in ihrem Zimmer bleiben. Und wer mit einem Senior einen Spaziergang unternimmt, bekommt einen Begleiter vom Heim an die Seite gestellt.
Das Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg mit 47 Corona-Toten geht Brill damals und heute nicht aus dem Kopf. Deshalb ficht Brill auch so manchen Kampf mit Angehörigen aus: „Viele hatten Verständnis und haben die Entscheidung mitgetragen, andere hingegen wollten die Situation nicht akzeptieren.“ Doch die Strategie habe sich im Nachhinein als richtig erwiesen, sagt er überzeugt.
Stück für Stück kehrt Normalität ein in dem markanten Gebäude in Langenhagens Süden. Auch wenn das Singen untersagt bleibt, so erhalten die Bewohner ihre Angebote zurück: Sie rätseln und spielen Bingo, sie feiern ihren Geburtstag. Seit November helfen Schnelltests, die erst zweimal in der Woche, später täglich neue Sicherheit geben. Im Dezember, einen Tag vor dem zweiten Lockdown, wird eine externe Friseurin positiv getestet: „Bis dahin hatten wir gut 100 Tests gemacht, alle negativ. Da zweifelt man natürlich etwas.“ Diese Zweifel gehören nach dem Tag der Vergangenheit an. Jede und jeder im Heim bekommt einen Schnelltest, ohne Ausnahme. Brill stellt dafür einen Mitarbeiter ein, der die Besucher in zwei Zeitslots täglich überprüft.
Brill motiviert zum Piks
Und dann beginnt im Januar das Warten auf die Impfung, Brill informiert sein Team über die Wirkstoffe und motiviert zum Pieks. Bis auf zwei Bewohner und drei Beschäftigte, darunter Schwangere, sind alle dabei, als das Impfteam am 4. Februar die Spritze setzt. Ein weiterer Baustein für mehr Sicherheit, aber noch kein Grund zur Entspannung für den Geschäftsführer – er führt sein Haus wie vor der Impfung.
Der schönste Moment
Denn noch immer, sagt er, habe er großen Respekt vor dem Virus. Dankbar sei er, dass die Kollegen die Entscheidungen mittragen. Mehr noch: Der schönste Moment im Pandemiejahr sei gewesen, als die Mitarbeiter ihn im Garten überraschten, mit kleinen Geschenken, mit warmen Worten und Wertschätzung. „Das hat sich nach der harten Zeit super angefühlt“, sagt Brill. Er ist überzeugt, dass die Pandemie das Team noch mehr zusammengeschweißt hat.
Quelle: haz.de 21.05.2021 Foto & Text Antje Bismark