Kein Besuch mehr im eigenen Zimmer, dazu strenge Hygieneregeln: Das Seniorenheim Bachstraße schottete sich frühzeitig ab, um das Coronavirus nicht ins Haus zu tragen. Mit Erfolg. Bisher hat es keine einzige Infektion in der Einrichtung gegeben. Doch wie haben die Bewohnerinnen und Bewohner die Pandemie erlebt?

„Zuerst war das ein bisschen komisch“, erzählt Elvira Wehmeier. Die 91-Jährige wohnt seit zwei Jahren an der Bachstraße. Die Besuche von ihrem Enkel sorgen in der Pandemie für Kontinuität in ihrem Alltag. Zwar hätten sie sich nicht mehr wie gewohnt im Zimmer, sondern auf der Terrasse oder im Besucherraum treffen müssen. Doch das stört die 91-Jährige nicht, so scheint es.

Und auch sonst weiß Wehmeier es zu schätzen, dass sie an der Bachstraße ein soziales Umfeld hat. „Zu Hause wäre ich allein, hier bin ich immer unter Leuten. Alle sind nettund grüßen kameradschaftlich“, sagt sie und lächelt. Von Anfang an habe sie sich wohlgefühlt, daran habe auch die Pandemie nichts geändert.

Dem stimmt auch Werner Dettmer zu. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden sich gut kümmern, schildert er. Den Beginn der Pandemie hat er allerdings als unangenehm in Erinnerung. „Wir wurden hier quasi eingesperrt“, sagt er. „Auf einmal war Feierabend.“ Vorher sei er gern mal nach draußen gegangen, etwa zum Einkaufen. Dass die Pandemie so lange anhalten würde, habe er nicht erwartet. „Ich dachte, das geht schnell vorbei.“

Dettmer hatte sich aber an die veränderten Umstände gewöhnt. Den Einkauf übernehmen weiterhin andere für ihn, das findet der 81-Jährige praktisch. Ohnehin zeigt sich der Senior sehr genügsam. „Wir haben hier doch alles“, sagt er.

Wie es vor der Pandemie in der Einrichtung zuging, hat Karin Bents kaum kennengelernt. Sie lebt erst seit Januar 2020 an der Bachstraße. „Wir konnten nicht mehr raus“, erinnert sie sich an die Anfänge der Corona-Krise. Immerhin: Als die 53-Jährige ins Pflegeheim kam, war sie aufgrund einer kurz zuvor erfolgten Unterschenkelamputation auf den Rollstuhl angewiesen. Mittlerweile kann sie wieder am Rollator laufen.

Und auch sonst habe sie die Zeit genutzt. „Ich habe angefangen zu lesen“, erzählt Bents. Gerade liest sie „Doch die Sünde ist scharlachrot“ von Elizabeth George. Mehr als 700 Seiten – dafür sei früher keine Zeit gewesen. Abwechslung bringen außerdem Bingoabende und Besuche ihrer Kinder in den Alltag. Eigentlich vermisse sie nichts, sagt Bents – außer die Umarmungen mit den Pflegekräften.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei es zu verdanken, dass das Coronavirus nicht den Weg in die Einrichtung gefunden habe. „Die haben gut auf uns aufgepasst“, sagt Bents. Dadurch, dass es keine Infizierten gegeben habe, sei das Virus auch nicht ständig Thema. „Man hat zwar immer davon gelesen und gehört, aber ich kannte ja keinen, der das hat“, ergänzt die 53-Jährige. Wie es scheint, hat das Pflegeheim sich seinen eigenen Kosmos ge­schaffen. Ein geschützter Raum – mit veränderten Abläufen und einem neuen, normalen Alltag.

Quelle: haz.de 04.08.2021 Text & Fotos: Thea Schmidt