„Erlösung“ -in dieses Wort packt Sead Kuresepi seine ganzen Empfindungen, wenn er über die Impfung gegen das Coronavirus spricht. Denn die Immunisierung bedeutet für den Hausmeister des Seniorenheims Bachstraße einen ersten Schritt, langsam zu entspannen nach Monaten voller Angst vor einer Übertragung des Virus. „Aber noch immer“, sagt er, „bin ich vorsichtig und gehe nur dorthin, wo sich wenige Menschen aufhalten.“
Während Deutschland zu Beginn des Jahres 2020 noch nicht realisiert hatte, dass das Coronavirus das Leben durcheinander wirbeln würde, bereitete sich das Seniorenheim bereits im Februar vor: Geschäftsführer Gregor Brill kaufte Masken und Schutzkleidung, ordnete schließlich frühzeitig die Schließung des Hauses für Besucher an. Kuresepi trug alle Entscheidungen mit: „Am Anfang kam es mir komisch vor, aber als ich dann die Bilder aus Italien gesehen habe, war klar: Das trifft auch uns.“ Er richtete seinen Arbeitsalltag aus – wenig Kontakte zu anderen Menschen, Maske auf, Abstand, Desinfektion. „Für mich war damals die größte Angst, dass ich wegen einer Unkonzentriertheit einen Fehler mache, etwas übersehe und das Virus übertrage“, erinnert er sich. Neue Abläufe zu verinnerlichen, darum sei es damals gegangen.
„Ich kann nicht ins Homeoffice“
Das galt im Beruflichen wie im Privaten, denn Kuresepi und seine Frau betreuen ihre schwerkranke Tochter zu Hause. „Wenn ich in die Wohnung kam, habe ich mich erst geduscht und dann frische Kleidung angezogen, um niemanden anzustecken“, sagt er. Erst danach sei er ins Wohnzimmer gegangen. Im Mai, in einer kritischen Phase, habe er kurzfristig Urlaub genommen. Ein Hausmeister, fügt er hinzu, könne nicht ins Homeoffice wechseln. Noch heute verzichte er auf viele Dinge, die andere längst wieder nutzen. „Meine Schwester habe ich zum Beispiel seit 18 Monaten nicht gesehen.“ Ausflüge mit der Familie begrenze er auf jene Bereiche, in denen er kaum andere Menschen treffe. Die Einkäufe erledigten er oder seine Frau separat.
Seine Vorsicht, sagt Kuresepi, gelte der Familie, den Kollegen und den Heimbewohnern gleichermaßen. „Wir haben ja mitbekommen, was in anderen Heimen los war, das hat meine Angst vor einer Ansteckung noch verstärkt.“ Alle Schutzmaßnahmen, die Brill und sein Team für die Bachstraße entwickelt hätten, habe er auf das Private übertragen. Umso mehr ärgere es ihn, wenn sich andere Firmen oder auch Privatpersonen nicht an die Regeln hielten: Damit, sagt Kuresepi, gefährdeten sie ja nicht nur sich, sondern eben auch ihr Umfeld. „Niemand weiß, wie schwer eine Erkrankung verlaufen würde“, sagt er.
Schnelltests seit November
Eine erste Entlastung haben für ihn die Schnelltests im November 2020 gebracht: Täglich lässt die Bachstraße ihre Mitarbeiter auf das Corona-virus überprüfen – trotz der Impfung. „Es war gut, dass das bei uns so zeitig begonnen hat, im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die ja ein halbes Jahr später erst die Schnelltests hatten.“
Die Impfung im März, sagt der Hausmeister, sei eine Erlösung gewesen. „Mir wurde wirklich eine Last genommen.“ Seitdem fühle er sich viel besser, weil der Moderna-Wirkstoff das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs maximal reduzieren würde. Dass es Menschen gibt, die die Impfung ablehnen, kann Kuresepi nicht verstehen. „Sie bietet einen großen Schutz, das sollte niemand vergessen.“
Ob er jemals wieder den Alltag wie vor der Pandemie leben wird – das weiß er nicht. Doch inzwischen bestehe eine Routine bei den vor einem Jahr noch neuen Abläufen. „Davon profitieren letztlich die Bewohner, die gut durch die Zeit gekommen sind“, sagt er.
Das ist die Serie
Wie haben Mitarbeiter, Angehörige und Bewohner des Seniorenheims Bachstraße in Langenhagen die vergangenen Monate Corona-Pandemie erlebt? Wie geht es ihnen heute? Vom Geschäftsführer bis zum Hausmeister in unserer Serie sprechen sie alle über Sorgen und Hoffnungen.
Quelle: haz.de 16.06.2021 Fotos & Text: Antje Bismark